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Konsumentenschutz / Konsumentenrecht

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Entlastungsgründe des Herstellers

Rechtsgebiet:
Konsumentenschutz / Konsumentenrecht
Stichworte:
Konsumentenschutz
Autor:
LawMedia Redaktion
Verlag:
LAWMEDIA AG

Der Hersteller kann sich gestützt auf PrHG 5 durch Entlastungsgründe von der Produktehaftung exkulpieren:

Definition

  • Entlastungsgrund   =   Beweis, dass doch nicht alle Haftungsvoraussetzungen erfüllt sind

Überblick aller Entlastungsgründe (PrHG 5-Entlastungründe + weitere)

PrHG 5-Entlastungsgründe

  • Fehlendes Inverkehrbringen (PrHG 5 Abs. 1 lit. a)
  • Fehlerfreiheit beim Inverkehrbringen (PrHG 5 Abs. 1 lit. b)
  • Produkteherstellung zu Privatzwecken (PrHG 5 Abs. 1 lit. c)
  • Vorschriftsgemässe Produkteherstellung (PrHG 5 Abs. 1 lit. d)
  • Ausschluss von Entwicklungsrisiken (PrHG 5 Abs. 1 lit. e)

Weitere Entlastungsgründe

  • Höhere Gewalt
  • Grobes Selbst- oder Drittverschulden, welches den adäquaten Kausalzusammenhang unterbricht
    • Vorbehalt
      • Hersteller muss dennoch für Fehler einstehen, die von Dritten vor der Produkte-Inverkehrsetzung verursacht wurden

Kein Inverkehrbringen

Definition

  • Kein Inverkehrbringen   =   Nichthaftung, weil das Inverkehrbringen eine wesentliche Haftungsbedingung ist

Grundlage

  • PrHG 5 Abs. 1 lit. a

Abgrenzungen

  • Eigennutzung (umstritten)
  • Auslieferung des Zulieferers an einen weiterverarbeitenden Hersteller (umstritten)

Ziel

  • Hersteller soll nicht für ein Produkt haften müssen, welches seinen Einflussbereich nicht oder gegen seinen Willen verlassen hat
    • Keine Haftung für entwendetes Produkt
    • Versehentliches Inverkehrbringen
    • Inverkehrbringen des Produkts nicht im Einflussbereich des Herstellers (Produkt bei Veredler)
    • Weitergabe von Produkten für Qualitätstests an Dritte
    • Übergabe von Produkten zu Reparaturen an Dritte
    • Verletzung eines Mitarbeiters beim Hersteller
    • etc.

Voraussetzungen

  • Kein Herstellerwille zur Inverkehrsetzung
  • Keine Aufgabe der tatsächlichen Gewalt am Produkt

Beweislast

  • Hersteller trägt die Beweislast, das fehlerhafte Produkt nicht in den Verkehr gebracht zu haben

Fehlerfreiheit beim Inverkehrbringen

Definition

  • Fehlerfreiheit beim Inverkehrbringen   =   Hersteller kann sich von der Haftung befreien, wenn er beweist, dass der Fehler, der den Schaden verursachte, im Zeitpunkte der Inverkehrsetzung nicht bestand

Grundlage

  • PrHG 5 Abs. 1 lit. b

Abgrenzungen / Nichthaftung

  • Nichthaftung des Herstellers für unsachgemässe nachträgliche Manipulationen durch den Geschädigten oder einen Dritten

Ziel

  • Der Hersteller soll nicht haften, wenn er das Produkt ohne den vom Geschädigten geltend gemachten Fehler in Verkehr brachte

Voraussetzung

  • Nachweis, dass der Produktefehler beim Inverkehrbringen – nach den Umständen – nicht bestanden habe

Beweislast

  • Hersteller
    • Erleichterung der Beweisführung für den Hersteller aufgrund der Einschränkung im Gesetzestext „… nach den Umständen davon auszugehen ist …“ (vgl. PrHG 5 Abs. 1 lit. b, in der Box)
    • Anstelle des Vollbeweises genügt es, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Hersteller das Produkt fehlerfrei in Verkehr brachte
  • Geschädigter
    • Der Geschädigte muss einzig beweisen, dass der Schaden auf ein fehlerhaftes Produkt zurückzuführen ist

Produkteherstellung zu Privatzwecken

Definition

  • Produkteherstellung zu Privatzwecken   =   Privatpersonen (Freizeitbastler, Hobbyhersteller usw.) fertigen kostenlos ein Produkt für einen Privatbezüger

Grundlage

  • PrHG 5 Abs. 1 lit. c

Abgrenzung

  • Produkteschenkung zu Werbezwecken (möglicherweise keine Exkulpation nach PrHG 5 Abs. 1 lit. c

Ziel

  • Wirtschaftlich oder gewerblicher Hersteller kann Haftungsrisiko und die dadurch entstehenden Kosten (Versicherungsprämien etc.) in seine Preiskalkulation einfliessen und auf alle Kunden überwälzen

Voraussetzungen

  • Kostenlose Produktefertigung
  • Produkteherstellung weder für den Verkauf noch für eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck
  • Keine Produkteherstellung im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit

Beweislast

  • Hersteller
    • Der Hersteller hat zu beweisen, dass er das Produkt weder für den Verkauf noch für den Vertrieb mit wirtschaftlichem Zweck resp. nicht im Rahmen einer beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat
  • Geschädigter
    • Dem Geschädigten obliegt nicht der Beweis, den wirtschaftlichen Zweck der Herstellung oder des Vertriebes nachzuweisen
    • Der Geschädigte muss einzig nachweisen, dass der Haftpflichtige das fehlerhafte Produkt hergestellt und vertrieben hat

Vorschriftsgemässe Produkteherstellung

Definition

  • Vorschriftsgemässe Produkteherstellung   =   Produkt, welches nach verbindlichen, hoheitlich erlassenen Vorschriften hergestellt ist

Grundlage

  • PrHG 5 Abs. 1 lit. d

Ziel

  • Entlastungsgrund für Fälle insbesondere von Konstruktionsfehlern

Voraussetzungen

  • Vorliegen einer Gesetzesbestimmung
    • Nicht ausreichend
      • private (Verbands-)Regelwerke
      • technische Normen (zB SIA- oder ISO-Normen)
      • Gesetze, die Mindeststandards der Sicherheitsanforderungen vorgeben
      • Polizeibewilligungen
  • Zwingende gesetzliche Vorschriften, welche dem Hersteller keine Wahl lassen (Einhaltung oder Produktionsverzicht)

Beweislast

  • Hersteller
    • Berücksichtigung der Einschränkung im Gesetzestext „… nach den Umständen davon auszugehen ist …“ (vgl. PrHG 5 Abs. 1 lit. b, in der Box)
  • Geschädigter
    • Beweis des Gegenteils, dass Exkulpationsnachweis unrichtig ist

Ausschluss von Entwicklungsrisiken

Definition

  • Ausschluss von Entwicklungsrisiken   =   Nichterkennbarkeit des Fehlers, weil das Produkt dem Stand der Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Inverkehrsetzung entsprach

Grundlage

  • PrHG 5 Abs. 1 lit. e

Ziele

  • Haftung des Herstellers nur für einen Fehler des Produkts, den er nach dem Wissensstand beim Inverkehrbringen hätte erkennen müssen, und nicht für einen unentdeckten Konstruktionsfehler (also: keine Haftung für unentdeckte Konstruktionsfehler bzw. für Entwicklungsrisiken)
  • Daraus ist zu folgern, dass ein Hersteller die Inverkehrsetzung eines Produkts stoppen muss, wenn ein Entwicklungs- bzw. Konstruktionsfehler festgestellt werden sollte (WERRO FRANZ, Rz 808)

Voraussetzungen

  • Zeitpunkt der Erkennbarkeit des Entwicklungsfehlers resp. der Weiterentwicklung von Wissenschaft und Technik
    • Grundstoffhersteller bzw. Teilproduktehersteller
      • Exkulpationsmöglichkeit, weil sich der Technikstandard erst nach dem Inverkehrbringen des Grundstoffes bzw. der Teilprodukte, aber vor dem Inverkehrbringen des Endprodukteherstellers änderte; bei einem solchen Entwicklungsverlauf wir einzig der Endproduktehersteller verantwortlich
    • Importeur
      • Für den Importeuren gelten die gleichen Parameter wie für Grundstoffhersteller bzw. den Teilproduktehersteller
    • Lieferant
      • Bei subsidiär haftenden Lieferanten wird für die Aktualität des Technikstandes auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens durch Endproduktehersteller abgestellt
  • Ermittlung des Stands von Wissenschaft und Technik
    • Zeitpunkt
      • Technikstand per Inverkehrbringen erlaubte keine Entdeckung der Fehlerexistenz
    • Massgeblichkeit eines objektiven Standards
      • Grundsatz
        • Erkenntnisse von Wissenschaft und Praxis
      • Einschränkung
        • Keine Berücksichtigung von unveröffentlichten, unzugänglichen oder gar geheimen Forschungsresultaten
      • Erweiterung bei gefährlichen Produkten
        • Bei Produkten, die für Leib, Leben und Umwelt gefährlich sind, sollten Warnhinweise und beunruhigender Erkenntnisse einzelner Wissenschafter berücksichtigt werden
  • Kenntnisstand und Sorgfalt des Herstellers
    • Grundsatz
      • Pflicht des Herstellers, sich über die neuesten Forschungserkenntnis informiert (sog. à jour) zu halten
    • Keine Unkenntnis-Exkulpation
      • Der Hersteller kann sich nicht darauf berufen, er habe die neuesten Entwicklungen nicht gekannt

Verbessertes Produkt

  • Aus dem späteren Inverkehrbringen eines verbesserten Produktes kann nicht die Fehlerhaftigkeit des Vorprodukts gefolgert werden (vgl. PrHG 4 Abs. 3)

Beobachtungs-, Warn- oder Rückrufpflichten?

  • Grundsatz
    • Keine Beobachtungspflicht und keine Warn- oder Rückrufpflichten, vorbehältlich PrSG
  • Ausnahme
    • Pflicht gegebenenfalls aus anderen Normierungen

Beweislast

  • Hersteller
    • Grundsätzliches
      • Will sich der Hersteller exkulpieren, trägt er den Nachweis dafür, dass der aktuelle Stand der Technik angewandt wurde, insbesondere die Punkte, dass
        • der angewandte Technikstandard der aktuelle war
        • die angewandte Technik die Fehlerentdeckung nicht zuliess und es sich beim Produkt nicht um ein für Leib, Leben und Umwelt gefährliches Produkt, welches auch Einzelforschermeinungen berücksichtigen müsste
        • stets die Technikstandards bekannt waren und eingehalten wurden
  • Geschädigte
    • Beweis des Gegenteils, dass Exkulpationsnachweis unrichtig ist

Entlastungsbeweis des Grundstoff- oder Teilprodukt-Herstellers

Definition

  • Grundstoff   =   Fabrikationsmaterial für das Teilprodukt und / oder Endprodukt
  • Teilprodukt   =   partieller Produkteteil, welcher ins Endprodukt eingearbeitet ist

Grundlage

  • PrHG 5 Abs. 2

Ziel

  • Exkulpationsmöglichkeit des Herstellers für Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches der Grundstoff oder das Teilprodukt eingebaut wurde, oder durch Anleitungen des Herstellers diese Produkts verursacht wurde

Voraussetzungen

  • Ausgangslage
    • Gesetzliche Vermutung, dass der Endprodukt-Fehler seinen Ursprung in einem Grundstoff- oder Teilprodukt-Fehler hat
    • Haftung des Herstellers nur, wenn das Produkt im Zeitpunkte des Inverkehrbringens fehlerhaft war
    • Keine Haftung der Grundstoffherstellers oder des Teilproduktelieferanten für das Endprodukt, wenn der Grundstoff bzw. das Teilprodukt fehlerfrei war
  • Exkulpation des Grundstoff-Herstellers bzw. des Teilproduktelieferanten
    • Nachweis, dass der Fehler ausschliesslich auf Konstruktion, Fabrikation oder Gebrauchsanleitung des Endprodukts (oder eines Teilprodukts) zurückzuführen ist
    • Nachweis, dass der Grundstoff oder das Teilprodukt nicht verwendet wurde
    • Nachweis, dass das Produkt zwar fehlerfrei ist, aber infolge mangelhafter Gebrauchsanleitung bezüglich der Verwendungsmöglichkeiten als fehlerhaft beurteilt werden muss
    • Nachweis, dass der Grundstoff oder das Teilprodukt  – trotz klarer Bekanntgabe der Einsatzmöglichkeiten – instruktionswidrig verwendet wurde oder wird
    • Fehlschlagen des Exkulpationsnachweises, wenn der Grundstoff zum schädigenden Ereignis beigetragen hat

Solidarhaftung

  • Es besteht von Gesetzes wegen eine Solidarhaftung zwischen
    • Grundstoff-Hersteller oder Teilprodukte-Hersteller zusammen mit dem (Endprodukt-)Hersteller

Beweislast

  • Grundstoff- oder Teilprodukte-Hersteller
    • Nachweis des Herstellers des Grundstoffs oder des Teilprodukts, dass der Fehlerursprung im Endprodukt, d.h. in der Konstruktion, in seiner Fabrikation und / oder seiner Anleitung des Endproduktherstellers besteht
    • Will sich der Hersteller auf einen Entlastungsgrund berufen, muss er diesen nachweisen
  • Geschädigter
    • Beweis des Gegenteils, dass Exkulpationsnachweis unrichtig ist

Gesetzestexte

Literatur

  • Entlastungsgründe
    • Fehlendes Inverkehrbringen (PrHG 5 Abs. 1 lit. a)
      • HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 3 zu PrHG 5
      • FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 316 ff. + Rz 305
    • Fehlerfreiheit beim Inverkehrbringen (PrHG 5 Abs. 1 lit. b)
      • FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 324
      • HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 23 ff. zu PrHG 5
    • Produkteherstellung zu Privatzwecken (PrHG 5 Abs. 1 lit. c)
      • FELLMANN WALTER, Basler Kommentar, OR I, N 9 ff. zu PrHG 5
      • HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 3 zu PrHG 5
    • Vorschriftsgemässe Produkteherstellung (PrHG 5 Abs. 1 lit. d)
      • FELLMANN WALTER, Basler Kommentar, OR I, N 14 zu PrHG 5
      • FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 333
      • HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 42 ff. zu PrHG 4
    • Ausschluss von Entwicklungsrisiken (PrHG 5 Abs. 1 lit. e)
      • FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 345
      • HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 42 ff. zu PrHG 4
    • Entlastungsbeweis des Grundstoff- bzw. Teilprodukt-Herstellers
      • FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 351
      • HESS HANS-JOACHIM, Kommentar zum Produktehaftpflicht (PrHG), 2. Auflage, Bern/Stuttgart 1996, N 76 + N 78 zu PrHG 5
      • CHRISTEN ANDRES, Produktehaftung nach der EG-Produkthaftungsrichtlinie im Vergleich zur Produktehaftung nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1992, S. 112 f.
  • Entlastungsbeweis
    • CHRISTEN ANDRES, Produktehaftung nach der EG-Produkthaftungsrichtlinie im Vergleich zur Produktehaftung nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1992, S. 91
    • FELLMANN WALTER / VON BÜREN-VON MOOS GABRIELLE, Grundriss der Produktehaftpflicht, Bern 1993, Rz 311

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